Titel Jahrbuch
Friedrichshafener Jahrbuch

für Geschichte und Kultur
Die Aufsätze:
Veit Becher
Die römische Besiedlung Friedrichshafens im Spiegel der archäologischen Quellen
Ernst Haller und
Karl-Hermann Weidemann
Die Hofener Klostermühle
Dieter Messerschmid
Der Salzhandel in Buchhorn
Edwin Allgaier
Vom primitiven Kahn
zum modernen Katamaran: Rechtliche Regelungen
auf dem Bodensee

Jürgen Oellers
„Schnelle Communication“:
Der Ãœbergang von der
Segel- zur
Dampfschifffahrt
in Friedrichshafen
Klaus Kramer
John Scott Russell und der ‚Kohlenfresser’ – oder:
Was das Friedrichshafener Trajekt
mit der
GREAT EASTERN verbindet
Diether F. Domes und Jürgen Oellers
Das Friedrichshafener
Rathaus-Fresko
von August Brandes

Schifffahrt und Handel in Buchhorn und Friedrichshafen bilden den thematischen Schwerpunkt der ersten Ausgabe des 'Friedrichshafener Jahrbuchs für Geschichte und Kultur’. Beide Bereiche belegen anschaulich, dass schon im 18. und 19. Jahrhundert besondere regionale Entwicklungen von der Stadt im Linzgau ausgingen und dass international renommierte Persönlichkeiten und Akteure das Bild der Bodenseestadt schon vor der Ära Zeppelin formten. Beiträge zur örtlichen Mühlengeschichte und zum frühneuzeitlichen Salzhandel zeigen, dass für die Entstehung einer modernen Industriestadt Handel und Gewerbefleiß mitunter unabdingbare Voraussetzungen schufen. Die Darstellung der römischen Epoche am Beispiel lokaler Grabungsergebnisse und eine ikonografische Beschreibung des Friedrichshafener Rathaus-Freskos von 1907 bieten die Möglichkeit, gänzlich in Vergessenheit geratene Details der Stadtgeschichte nachzuvollziehen.

Veit Becher
VEIT BECHER

Die römische Besiedlung Friedrichshafens im Spiegel der archäologischen Quellen

Friedrichshafen und fast das gesamte Nordufer des Bodensees sind von der provinzialrömischen Archäologie bislang weitgehend unberücksichtigt geblieben, obwohl die römische Besiedlung der Region bereits seit Langem bekannt ist. Der Historiker Veit Becher breitet in seinem Aufsatz jahrzehntelange Spurensuche in der Linzgau-Stadt aus und kommt zu dem Schluss, dass die Arbeiten professioneller Archäologen und Denkmalschützer wie Oscar Paret (1889-1972), Leiter der ur- und frühgeschichtlichen Sammlungen beim Württembergischen Landesmuseum und Konservator am Landesamt für Denkmalpflege, auf wenig Interesse gestoßen und letztlich ohne einen gebührenden Nachhall geblieben sind. So wurden die umfangreichen Ergebnisse aus den Grabungen der 1930er und 1950er Jahre – abgesehen von einer kleineren Ausstellung im Jahr 1959 – weder umfassend publiziert noch anderweitig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Eine zeitgemäße wissenschaftliche Bewertung der Funde und der ersten Einordnungsversuche Parets steht noch aus. Angesichts der Unzugänglichkeit der römischen Funde, die heute im Depot der Musealen Sammlung des Stadtarchivs Friedrichshafen verwahrt werden, stellt Veit Becher fest, dass es bedauerlich ist, dass man diesen Aspekt der Stadtgeschichte nach wie vor „in Kisten verstauben lässt“.


Ernst Haller und Karl-Hermann Weidemann
ERNST HALLER UND
KARL-HERMANN WEIDEMANN

Die Hofener Klostermühle

Die Geschichte der Klostermühle des Friedrichshafener Stadtteils Hofen wird von den beiden Lokalhistorikern Ernst Haller und Karl-Hermann Weidemann von den Anfängen im 15. Jahrhundert bis zur Aufgabe des Wasser- und Mahlmühlenbetriebs im Jahr 1849/50 geschildert und reichhaltig illustriert. Dabei wird nicht nur die Eigentums- und Lehnsgeschichte der Hofener Klostermühle, die namentlich fast lückenlos vom Anfang des 18. Jahrhunderts bis in unsere Zeit nachgewiesen werden kann, dargestellt; auch wirtschaftliche und kulturgeschichtliche Aspekte des Mühlenwesens werden anschaulich und allgemein verständlich beschrieben. Im Zentrum des Aufsatzes steht der 1789 ausgebrochene Streit um die Lage der Mühle östlich des Mühlbachs bzw. deren Verlegung an das gegenüber gelegene westliche Bachufer, der bis zum Reichskammergericht ausgetragen wurde. Dabei ging es um eine Verschränkung von wirtschaftlichen und hochgerichtsbarkeitlichen Interessen, welche die benachbarte Reichsstadt Buchhorn gegenüber dem Mutterkloster Weingarten geltend machte. Schließlich einigte man sich in einem Vergleich, der die Verlegung der Klostermühle gestattete, aber die wirtschaftliche Nutzung der von den Buchhorner Schiffern als Konkurrenz empfundenen Schiffslandestelle des Klosters einschränkte.


Dieter Messerschmid
DIETER MESSERSCHMID

Der Salzhandel in Buchhorn

Salzverträge, Salzstraßen, Zollgebührenkarten und Salzstadel sind zentrale Begriffe des Aufsatzes von Dieter Messerschmid. Als Lokalhistoriker und Kenner v. a. der Buchhorner Geschichte beleuchtet er den am 21. August 1755 zwischen der kurfürstlich bayerischen Hofkammer und der Reichsstadt Buchhorn zustande gekommenen Salzvertrag hinsichtlich der Verschuldungslage Buchhorns, das sich noch kurz zuvor unter österreichisches Besatzungs- und Befestigungsrecht stellen wollte, und des wirtschaftlichen Ausgreifens des Kurfürstentums Bayern nach Südwesten in die Schweiz. Messerschmid zeigt nicht nur, wie der Salzvertrag das wirtschaftlich desaströse Buchhorn rettete, sondern auch wie es Kurfürst Max Joseph verstand, die angesichts dieser wirtschaftlichen Machtverschiebung besorgten Reichsstände und vor allem Österreich zu beschwichtigen. Weitere Kapitel sind der Umsetzung des Salzvertrags, der Anlage und Unterhaltung von Salzstraßen, der (Salz-) Lasten-Schifffahrt in dieb Schweiz und dem Bau des Salzstadels (1760) gewidmet. So ließ das Kurfürstentum die Buchhorner Salzniederlage von zwei Salzbeamten verwalten, denen noch ein Stadelmeister, drei bis vier Stadelknechte und ein Salzkonduktor (berittener Bote) unterstellt waren. Der bayerische Salzhandel in Buchhorn währte allerdings nur bis zum Jahr 1808, in dem das Finanzministerium der bayerischen Generaladministration der Salinen die Schließung der Oberfaktorei mitteilte. Zu unsicher waren die vergangenen Jahrzehnte der zahlreichen Kriege und Wirtschaftskrisen, sodass auch der bayerische Salzhandel der kleinen Reichsstadt nicht wirklich aus ihrer ruinösen Lage heraus helfen konnte.


Edwin Allgaier
EDWIN ALLGAIER

Vom primitiven Kahn zum modernen Katamaran: Rechtliche Regelungen auf
dem Bodensee

Die rechtlichen Bestimmungen am Bodensee sind seit dem Westfälischen Frieden (1648), als eine staatliche Grenzziehung für den Bodensee nicht zustande kam, Anlass zu zahlreichen kontroversen Erörterungen. Edwin Allgaier beschreibt aus der Sicht des Juristen unterschiedliche rechtliche Regelungen auf dem Schwäbischen Meer, und das hauptsächlich vom Friedrichshafener Standpunkt aus. Dabei widmet er sich zum einen den theoretischen Ansätzen zum ‚Hoheitsgebiet Bodensee’, so der Kondominatsheorie (gemeinsame Herrschaft der Anliegerstaaten), der Haldentheorie (die Uferstreifen als Quasi-Hoheitsgebiete) oder der Realteilungstheorie (Teilung des Sees in der Seemitte). Zum anderen bezieht er Vorfälle aus der Rechtspraxis mit ein, wie der Bodensee-Vermessung, der Möglichkeit der Trauung auf dem See oder der Gewährung von Asyl. Neben zahlreichen Rechtsquellen führt der Aufsatz auch eine Vielzahl an Bilddokumenten auf, die das Thema vielschichtig illustrieren. Das Abschlusskapitel über die rechtlichen Voraussetzungen für den Katamaran-Betrieb zwischen Friedrichshafen und Konstanz bietet eine leicht verständliche Darstellung eines aktuellen Rechtsfalls.


Jürgen Oellers
JÃœRGEN OELLERS

"Schnelle Communication":
Der Ãœbergang von der Segel- zur Dampfschifffahrt in Friedrichshafen

Die Geschichte der Friedrichshafener Schifffahrt ab der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert wird von Jürgen Oellers detailliert und reichhaltig bebildert dargestellt. Beschrieben wird die Bedeutung, die der Handel mit der Schweiz und darüber hinaus bis nach Italien für den Schiffsverkehr über den Bodensee hatte. Zunächst mittels Segmern, Lädinen und schweren Lastenseglern, von Wetter und Jahreszeiten abhängig, erfolgte der Warentransport sowohl quer über den See als auch in Längsrichtung. Schwerpunkt des Aufsatzes ist jedoch die Entwicklung der Dampfschifffahrt im 19. Jahrhundert. Besonders hervorgehoben wird die Bedeutung des Schweizer Philosophen Carl Victor von Bonstetten und des Stuttgarter Hofintendanten Friedrich von Matthisson, welche den US-Amerikaner Edward Church für den Bau eines Dampfschiffes in Friedrichshafen dem württembergischen Kabinett vorschlugen. Mit dem erstmals publizierten Quellenmaterial wird deutlich, dass der wirtschaftsliberale württembergische König Wilhelm I. bei der Einführung der Dampfschifffahrt auf dem Bodensee zunächst zögerte und dass es der Schweizer von Bonstetten und nicht der Verleger Johann Friedrich von Cotta war, der den amerikanischen Konsul Edward Church für den Bau eines Dampfboots auf der Friedrichshafener Hellig gewinnen konnte. 1824 vom Stapel gelassen befuhr das erste funktionstüchtige Dampfboot WILHELM bis 1847 von Friedrichshafen aus den Bodensee. Ausführlich beschrieben werden die Verhandlungen mit der Friedrichshafener Schifferzunft und die Widerstände gegen den Bau eines Dampfschiffs, sowie die Gründung der Friedrichshafener Dampfschifffahrts-Gesellschaft, deren Wirtschaftlichkeit sich erst mit ihrer Verstaatlichung einstellte und schließlich zum Bau weiterer Dampfschiffe führte.


Klaus Kramer
KLAUS KRAMER

John Scott Russell und der 'Kohlenfresser' - oder: Was das Friedrichshafener Trajekt mit der GREAT EASTERN verbindet

Klaus Kramer, ein in Projekten und Publikationen ausgewiesener Kenner der Bodenseeschifffahrt, beleuchtet die Bedeutung des Bodensees für schifffahrtstechnische Innovationen und stellt dabei das Wirken des schottischen Schiffsbaupioniers John Scott Russell (1808-1882) in den Mittelpunkt. Scott Russell erlangte bleibende Berühmtheit durch seine ‚Wave Line Theory’, die den Schiffsbau revolutionierte. Mit dem Bau der GREAT EASTERN, dem seinerzeit größten und modernsten Schiff, das die Weltmeere befuhr, war er seiner Zeit weit voraus. Schiffsbautechnische Innovationen realisierte er auch 1851 beim Bau der STADT SCHAFFHAUSEN, dem damals modernsten Dampfschiff auf dem Bodensee. Als der Schweizer Güterverkehr über den Bodensee in den 1850/60er Jahren sprunghaft angestiegen war, wurde der Bau eines Eisenbahnfährschiffes projektiert. Den Auftrag zur Konstruktion erhielt John Scott Russell. Die 1869 geschaffene Trajektverbindung von Friedrichshafen nach Romanshorn erhielt Vorbildcharakter für die Eisenbahnfährverbindung über den Ärmelkanal, die erst 1917 realisiert wurde. In diesem Zusammenhang zitiert der Autor in einer längeren Passage aus dem (übersetzten) Vortrag Scott Russells „On Railway Communication Across The Sea“ von 1869, in dem der Ingenieur anschaulich die schifffahrtstechnischen und logistischen Verhältnisse am Bodensee mit denen am Ärmelkanal vergleicht und die Vorteile des deutschen Binnensees hervorhebt. Das nach Plänen von Scott Russell gebaute erste Bodensee-Dampftrajektschiff nahm den Betrieb zwar erfolgreich auf, kam aber schon bald wegen seines hohen Kohlenverbrauchs in Verruf und wurde bereits 1885 zum Abbruch verkauft. In einem Ausblick wird gezeigt, dass die Trajektschifffahrt auf dem Bodensee auch in der Folgezeit von großer Bedeutung blieb. Dampfschiffe führte.


Diether F. Domes und Jürgen Oellers
DIETHER F. DOMES UND JÃœRGEN OELLERS

Das Friedrichshafener Rathaus-Fresko von August Brandes

Durch die Zerstörung Friedrichshafens im Zweiten Weltkrieg sind viele bedeutende Gebäude mitsamt ihrer Ausstattung verloren gegangen, so ein Dekorationsdetail des alten Friedrichshafener Rathauses, das 1906/07 auf dem Kirchplatz errichtet wurde. Der Aufsatz des Künstlers Diether F. Domes und des Historikers Jürgen Oellers macht mittels sorgfältiger Recherche, pointierten Schlussfolgerungen und einer reichhaltigen Bebilderung deutlich, dass durch Künstlernachlässe Verlorenes wieder rekonstruiert werden kann. Im Zentrum der Untersuchung steht das
14 Meter x 1 Meter große Fries an der Südseite des 1944 zerstörten Rathauses, das als farbiger Entwurf des Meersburger Historienmalers August Brandes (1879-1948) bis heute erhalten ist und sich in Privatbesitz befindet. Das Tempora-Gemälde zeigt einen von zahlreichen Allegorien und Symbolen durchwirkten Festzug, bei dem die verschiedenen Friedrichshafener Berufsstände dem Gründer der Stadt, König Friedrich I. von Württemberg, huldigen. Eine mit biographischen Details angereicherte kulturhistorische Einordnung des Gesamtwerks von August Brandes schließt den Aufsatz ab.