Die 1928 als erste Binnenseefähre für Automobile in Betrieb genommene KONSTANZ schuf eine neue europäische Nord-Süd-Fernverbindung und ermöglichte damit, der nach dem Ersten Weltkrieg ins Abseits gedrängten Stadt Konstanz, das wirtschaftliche Überleben. Um eine denkmalgerechte Restaurierung der historisch bedeutsamen Fähre bemüht sich derzeit der gemeinnützige Verein 'Rettet die MEERSBURG ex KONSTANZ!" e.V.



Ein Schiff bewahrt die Bodensee-Metropole Konstanz vor dem wirtschaftlichen Ruin

Die Entstehung des ersten Fährschiffes MEERSBURG ex KONSTANZ

von Klaus Kramer

Die heutige Kreis- und einstige Bischofsstadt Konstanz liegt geographisch gesehen am östlichen Zipfel einer rund zwanzig Kilometer langen, hügeligen Halbinsel, die den Überlinger See vom Untersee trennt. Dieser Bodanrück galt über Jahrhunderte als dünn besiedeltes und für den Verkehr kaum erschlossenes Gebiet. Im Osten wird die Halbinsel durch den Seerhein, der das Rheinwasser des Obersee durch den Untersee leitet, begrenzt. Der Seerhein trennt schweizer von deutschem Gebiet. Gleich einem vorgeschobenen Brückenkopf befindet sich der historische Altstadtkern der früheren Bischofsstadt Konstanz auf schweizer Seite des Grenzflusses.

Wegen seiner exponierten Lage war Konstanz, als bedeutendste Stadt der Region, wirtschaftlich wie verkehrstechnisch stärker an die Schweiz angebunden, als an das übrige Süddeutschland. Eine freizügige Auslegung der Zollgesetze und offene Landesgrenzen machten die Konzilstadt bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges zur heimlichen Hauptstadt und wichtigsten Einkaufsstadt der Schweizer Kantone Thurgau und St. Gallen. 1898 stand, von der Schweizer Nachbargemeinde Kreuzlingen ausgehend, die Idee zur Einrichtung der ‚Electrischen Straßenbahnen Constanz-Kreuzlingen und Umgebung“ im Raum. Sie sollte das schweizer Hinterland für die beiden Nachbarstädte Konstanz-Kreuzlingen wirtschaftlich noch besser erschließen. 1911 engagierte sich Konstanz finanziell am Bau der Mittelthurgau-Bahn Konstanz - Weinfelden - Wil.

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges kühlten die engen Handelsbeziehungen zum Schweizer Umland ab, um mit der Kapitulation des Deutschen Kaiserreiches vollständig zu erlöschen. Mit dem Kriegsende war am Bodensee ein frostiges politisches Klima entstanden. Deutschland und Österreich wurden von der europäischen Staatengemeinschaft als Kriegsverursacher geächtet. Durch Schließung der Grenze und Einführung strengster Passvorschriften war die ‚Bodensee-Metropole’ ihres natürlichen Hinterlandes beraubt. In Richtung Westen, über den Bodanrück hinaus, bestanden bis dahin nur wenig Verbindungen. Das einst blühende Zentrum war in eine bedrohliche wirtschaftliche Isolation geraten. „Grenzlandnot“ und „Grenzlandtragik“ wurden zu gängigen Begriffen. Die zunehmende Inflation in den Nachkriegsjahren machte das Leben in der ins Abseits geratenen Grenzstadt nicht erträglicher.

Anlässlich einer Besprechung über die beklemmende Verkehrssituation, am 21. November 1924, regte der Hotelier Julius Augenstein an zu prüfen, ob die Einrichtung einer regelmäßigen Fährverbindung Konstanz-Meersburg möglich sei. Augenstein war Besitzer des noblen Hotels Halm gegenüber dem Konstanzer Bahnhof, der von der Reichsbahn nur spärlich angefahren wurde. Der Hotelier hatte die Anregung zu seinem Vorschlag, aus dem damals kleinen Kreis Konstanzer Automobilbesitzer aufgenommen, die sich einen direkten Anschluss an das Nordufer des Sees und die Anbindung an die Nord-Südverbindungsstraße über Sigmaringen nach Stuttgart wünschten.

Während sich Städte wie Friedrichshafen und Singen in den Nachkriegsjahren nach und nach wieder wirtschaftlich erholen konnten und sich auszudehnen begannen, blieb Konstanz von den früheren Schweizer Kundenströmen abgeschnitten. Bereits während des Krieges hatten sich die Bürger der neutralen Schweiz auf die Städte St. Gallen, Frauenfeld und Winterthur als neue Einkaufsstädte und Wirtschaftszentren konzentriert.

Die schnelle Realisierung eines umfassenden Verkehrsentwicklungsprogramms zur Erschließung eines neuen wirtschaftlichen Hinterlandes wurde für Konstanz zu einer überlebenswichtigen Aufgabe. In dieser Situation griff der zweite Konstanzer Bürgermeister und Leiter der damaligen Stadtwerke Dipl.-Ing. Fritz Arnold frühere Ideen und teilweise ausgearbeitete verkehrspolitische Konzepte erneut auf und verstand es für sie, die im Gemeinderat notwendigen parlamentarischen Mehrheiten zu schaffen.


Fritz Arnold, 2. Bürgermeister und Leiter der technischen Werke der Stadt Konstanz gründete 1928 ein beispielloses Nahverkehrskonzept zur wirtschaftlichen Wiederbelebung der Stadt

In einem Aufsatz über die Verkehrsentwicklung der Stadt Konstanz stellte Arnold 1925 treffend fest, dass die damals 30.000 Einwohner zählende Stadt mit dem „übrigen Vaterland nicht durch Straßen, sondern durch Wege“ verbunden sei. Tatsächlich war die einzige Landverbindung, die Konstanz über den Bodanrück mit Deutschland verband der Kreisweg Singen-Radolfzell-Konstanz der gerade erst in jenem Jahr zur Landstraße aufgestuft worden war. Diese Landstraße, sofern die holprige Schotterpiste diesen Begriff überhaupt verdiente, war weder in Richtung Engen, noch nach Überlingen oder Stockach an das überregionale Straßennetz angeschlossen. Die seit 1866 bestehende Bahntrasse wurde von der Reichsbahn als unwirtschaftlich betrachtet und nur unzureichend befahren.

Als Mitglied einer überregionalen Arbeitsgruppe, die sich mit der Planung einer durchgehenden Autostraße von Hamburg über Frankfurt nach Basel befasste, war Dipl.-Ing. Arnold mit der rasanten Entwicklung des Automobilverkehrs vertraut. Geradezu prophetisch für die damalige Zeit sah er die Zukunft des noch in den Kinderschuhen steckenden Individualverkehrs voraus: "Wer die Entwicklung des Kraftwagens kennt, weiß, dass wir erst am Anfang stehen, dass die Tarif- und Fahrplanpolitik der Reichsbahn immer weitere Kreise dazu bringen wird, Güter und Personen auf Kraftwagen zu befördern, und damit die Bedeutung der Straße als Verkehrsträgerin wieder sehr erheblich in den Vordergrund gerückt wird." - Worte, die bezüglich der Bahn noch immer Gültigkeit haben. Entsprechend seiner Vision forderte Arnold den Aus- und teilweisen Neubau der Zufahrtsstraßen zur Stadt und der bereits bestehenden innerstädtischen Straßenführungen.

Für einen wirtschaftlichen Aufschwung forderte er die Ausweisung neuer Wohn- und Industriegebiete und die Verbindung von Arbeits- und Wohnstädten durch städtische Straßenbahnen.

Die Straßenbahn blieb Utopie. Sie scheiterte an der alten Rheinbrücke, die neben den Gleisen der Reichsbahn, keinen weiteren Platz für zusätzliche Straßenbahnschienen bot. Zu ihrer Verwirklichung hätte eigens eine neue Brücke über den Rhein geschlagen werden müssen.

Bürgermeister Arnold schwenkte um und wusste sein Nahverkehrskonzept mit Hilfe von Städtischen Omnibussen zu verwirklichen. Am 4. März 1927 konnten der Bürgermeister, Stadträte und Ehrengäste die ersten beiden Stadtbusse zu deren Jungfernfahrt besteigen. Die Presse nannte die Busse zunächst doppeldeutig die 'Rote Tram'. Schon bald war aus der 'Roten Tram' der 'Rote Arnold' geworden - ein Name, der heute noch für die rot gemalten Konstanzer Stadtbusse Gültigkeit hat und in doppelter Bedeutung, auf die Farbe der Fahrzeuge wie auf die Parteizugehörigkeit ihres Initiators anspielte.

Mit dem städtischen Omnibusnetz gelang es Arnold die Gemeinden des Bodanrück, im Westen der Stadt, verkehrstechnisch an die Stadt anzubinden. Sonderfahrten ermöglichten der Landbevölkerung die Teilnahme an Konstanzer Wochenmärkten. Auf dem Seerhein und im Konstanzer Trichter fuhren städtische Motorbarkassen Personen und Fracht im Fähr- und Liniendienst.

Konstanzer Motorbarkasse
Konstanzer Motorbarkasse im Liniendienst. Im Hintergrund die Seerheinbrücke

Ein weiteres Projekt für das sich der 'Rote Arnold' politisch stark machte und das Konstanz zusätzliche Arbeitsplätze und Wohlstand versprechen sollte, war der Bau eines großen Binnenhafens auf dem Gebiet des Wollmatinger Rieds am Ausfluss des Konstanzer Seerheins in den Untersee. Um den Wirtschaftshafen an die Rheinschifffahrt anzubinden sollte die 170 km lange Rheinstrecke von Basel bis zum Bodensee durch Stauwehre und Schleusenbauwerke schiffbar gemachte werden. Kraftwerke sollten die gestaute Energie des Wassers zur Stromerzeugung für die Region nutzen.

Um den Linzgau im Norden des Bodensees für die wirtschaftlich darbende Stadt zu erschließen nahm Fritz Arnold 1924 die Idee der Automobil-Fährverbindung zum Nordufer des Bodensees wieder auf. Am jenseitigen Ufer fand er in dem Meersburger Bürgermeister Dr. Moll einen engen Verbündeten.

Während der Sitzung am 11. Dezember genehmigte der Konstanzer Stadtrat, dass der Plan einer Fährverbindung zum Nordufer des geprüft werden solle. Die Direktion der Stadtwerke erhielt den Auftrag die Frage des Fährschiffes zu überprüfen, das Tiefbauamt musste einen Kostenvoranschlag für die Landeplätze aufstellen.

Drei Tage darauf war im 'Meersburger Gemeindeblatt' genaueres über die geplante Fährverbindung zu lesen: "Das verkehrssichere Fahrzeug soll Platz für vier Last- oder Personenkraftwagen bekommen. Die Stadt Konstanz würde die Landungseinrichtungen in Staat und den ganzen Betrieb übernehmen, während Meersburg lediglich für die Landungseinrichtungen sorgen müsste. Die Rentabilität dieser Einrichtung hat man in der Kreishauptstadt wohl erkannt, denn das Übersetzen eines Kraftwagens nach Staad würde ungefähr nur den dritten Teil kosten, als eine Fahrt um den See, abgesehen von der Zeit und Materialabnützung. Da ein Lastwagen 60-80 Zentner laden kann, währe eine wohlfeile Überführung, ohne auf die Dampffähre umzuladen, durch diese Einrichtung gegeben. Es ist gar nicht daran zu zweifeln, dass bei Bekanntgabe an die Speditionen, große Geschäfte und Automobilklubs diese Wegabkürzung um 65 Kilometer allgemeine Anerkennung reichliche Benützung fände. Die Fähre wird so gebaut, dass sie vor- und rückwärts gleichermaßen fahren könnte, sodass also die Wagen auf alle Fälle in der Richtung nach vorwärts an Land kommen könnten. Betrachtet man ohnehin die erfolgreichen Bestrebungen, auch mit dem Personenverkehr von weither an den See zu kommen, so bildet die Möglichkeit einer Güterfähre eine fast selbstverständliche und ebenso wichtige Ergänzung. Dass auch gelegentlich Güter und Vieh mitgenommen werden ist selbstverständlich. Schwierigkeiten wird die Landungsfrage in Meersburg machen. Der Hafen ist klein und die Ecke bei den beiden Landhäusern besetzt. Das einzig Mögliche wäre die Benützung des wieder zugeschwemmten 'Saukanals' jenseits des Hafens, welcher ja früher bereits von Segelschiffen benützt worden ist und nun unerwarteter Weise wieder zu Ehren kommen kann. Dort wäre auch genügender Kehr- und Warteplatz, wo jetzt noch Lagerplätze für Baumaterialien sind. Die Sache ist so wichtig, dass sie auch einer Erörterung in weiteren Kreisen wert sein dürfte."

Auf Konstanzer Seite hatte man zunächst den Landeplatz beim Zeppelin-Denkmal am Konstanzer Hafen vorgesehen. Ein Fährhafen in Staad erschien weniger sinnvoll, da es dorthin noch keine gut ausgebaute Straße gab.

Am 23. Januar tagten auf Einladung von Oberbürgermeister Dr. Moericke über zwanzig Vertreter Konstanzer Unternehmen. Fritz Arnold setzte sich hierbei vor der Industrie für die Schaffung der Fährverbindung ein. Er beschrieb das Boot mit 22-28 m Länge und 6-8 m Breite, ausreichend für etwa sechs Personenwagen und zwei Lastkraftwagen. Sofern ausreichend Mittel für die Straßenverbindung zu beschaffen sei, so empfehle er, anstelle des Konstanzer Hafens als Landestelle Staad. Die Herren Dr. Stromeyer, Oberbürgermeister Dr. Moericke, Baurat Hartmann sowie der Vertreter der Handelskammer und Ing. Graf traten ebenfalls für das Projekt sowie Staad als Hafenplatz ein. Letzterer: "Der kürzeste Weg wird am meisten benützt." Stadtrat und Brauereibesitzer Ruppaner brachte die Vor und Nachteile der beiden in Frage kommenden Landeplätze mit wenigen Worten auf den Punkt: "Der Betrieb Staad-Meersburg wird billiger, die Anlage dagegen teurer. Der Betrieb Konstanz-Meersburg wird teurer, die Anlage dagegen billiger."


Die erste Automobilfähre KONSTANZ auf der Außenhellig der Bodan-Werft in Kressbronn

Die Frage des Landeplatzes auf Konstanzer Seite entschied nicht die Stadt, sondern die Deutsche Reichsbahn als Hafenbetreiberin. Die Verwaltung der Bahn hatte sich bereits im Vorfeld gegen den Betrieb einer Automobilfähre auf eigene Rechnung ausgesprochen. Man sah keine Zukunft für eine Automobilfähre und war auch nicht an einer Ausweitung des Schiffsverkehrs am Überlinger See interessiert.

Entsprechend wurde auch der Antrag der Stadt um Überlassung von Gelände am Güterhafen von der Reichsbahndirektion Karlsruhe abgelehnt. Somit war die Entscheidung für die 3,5 km kürzere Fährstrecke zwischen Staad und Meersburg zwangsläufig gefallen.

Ein offener Leserbrief am 30.1.1925 in der 'Bodensee Zeitung' äußerte sich zu diesem Verhalten der Bahn: "Einig ist man, dass eine Verbindung vom Linzgau mit der Kreishauptstadt dringend notwendig ist. Konstanz vom See und durch Zollschranken abgeschlossen, muss neue Wege zu seinem natürlichen Hinterland suchen, nachdem die Reichsbahn hierfür kein Verständnis hat oder aus finanziellen Gründen nichts zu unternehmen wagt. Wo das Verständnis fehlt - und wir vom See sind das von Karlsruhe gewohnt - da müssen sich die Interessenten selbst helfen."

Um den tatsächlichen Bedarf für eine Fähre zu ermitteln, wurden Anfang Oktober 1925 sechshundert Lastwagen- und PKW-Besitzer im westlichen Bodenseeraum von Bürgermeister Arnold mit einem Fragebogen zur Einrichtung der Fähre und ihrer späteren Nutzung befragt.

Das durchweg positive Ergebnis dieser Befragung wurde zur Erfolgsberechnung mit herangezogen. Zur weiteren Behandlung des Fährprojektes wurde eine siebenköpfige Arbeitsgruppe gebildet, die am 12. Oktober erstmals zusammentrat. Diese Gruppe bestand aus:
Oberbürgermeister Dr. Moericke
2. Bürgermeister Dipl.-Ing. Fritz Arnold
Stadtrat Ruppaner
Stadtrat Ruppert
Stadtrat Greiner
Stadtv.-Obmann Ellegast
Baurat Hartmann

Die Eigeninteressen einzelner Kommissionsmitglieder an einer Fähre waren zum Teil nicht unerheblich. Während es Oberbürgermeister Dr. Moericke und Bürgermeister Arnold um das Überleben der Stadt ging, suchte der Stadtrat der Zentrums-Partei und Brauereibesitzer Johann Ruppaner am anderen Ufer neue Absatzgebiete für sein Bier und der Holz- und Kohlenhändler Stadtv.-Obmann Alfred Ellegast konnte mit Fährverbindung auch jene Gemeinden am Nordufer beliefern, die keinen eigenen Eisenbahnanschluss besaßen.

Dem Ausschuss wurde bei seiner ersten Sitzung von OB Moericke ein Kostenvoranschlag vorgelegt, der 250.000 Reichsmark für ein 26 m langes Schiff und zwei Landestellen, sowie jährliche Betriebsausgaben von 70.000 RM bei acht Mann Fährpersonal vorsah.

Auf Empfehlung des vorbereitenden Ausschusses beschloss der Stadtrat am 19. November für das Fähreprojekt 400.000 RM freizugeben. Gleichzeitig sollte die Regierung um einen Staatszuschuss ersucht werden. Meersburg sollte sich mit 45.000 RM an dem Projekt beteiligen.

Einen Zuschuss lehnte die Karlsruher Landesregierung zunächst ab. Statt dessen unternahm der Innenminister mit Billigung der Stadt Konstanz einen erneuten Versuch die Reichsbahn zum Bau und Betrieb der Fähre zu bewegen. Doch auch die ministerlichen Bemühungen stießen auf Desinteresse. Daraufhin wurde der Stadt die Gewährung eines Darlehens von 100.000 RM zugesagt.

    Am 19. Oktober stand im vorbereitenden Ausschuss nochmals die Streckenführung auf dem Programm. Fünf Fährstrecken standen zur Diskussion:
    1. nordwestlich Mainau bis Unteruhldingen = 4,5 km
    2. südöstlich Mainau bis Unteruhldingen = 4,1 km
    3. Staad - Meersburg = 4,5 km
    4. Eichhorn - Meersburg = 6,1 km
    5. Klein-Venedig - Meersburg = 8,7 km

    Man bestätigte die Fährlinie Meersburg - Staad und war sich darüber einig, dass die Strecke möglichst bald mit dem neuen Fährschiff befahren werden solle.

    Gegen diese Wahl für Meersburg liefen achtundzwanzig Gemeinden und andere Interessengruppen, vorwiegend aus dem Linzgau, Sturm und legten beim Badischen Ministerium des Innern Einspruch ein. In der Begründung wurde behauptet, dass das Fährprojekt Konstanz - Meersburg seinen Zweck niemals erfüllen könne, sondern gleichbedeutend wäre mit dem wirtschaftlichen Ruin für den gesamten Überlinger-See. Die Bürgermeister von Überlingen, Radolfzell, Singen, Salem und Unteruhldingen sprachen, die wirtschaftliche Konkurrenz von Konstanz fürchtend, dem Fährprojekt in einer Eingabe vom 18.10.1927 jeden volkswirtschaftlichen Wert ab. Auch der Kreisrat lehnte jede Unterstützung des Fährprojektes ab.

    Die alles entscheidende Bürgerausschusssitzung tagte am 9. November 1926. Oberbürgermeister Dr. Moericke empfahl die Vorlage. Bürgermeister Arnold begründete das Vorhaben anhand ausführlicher Planunterlagen aus technischer Sicht. Schließlich kam mit 63 gegen 20 Stimmen folgender Beschluss zustande: "Die Stadt errichtet und betreibt eine Kraftwagenfähre Konstanz - Meersburg. Der Aufwand für die Einrichtung der Landestellen und den Kauf des Fährschiffes mit 300.000 RM ist aus Anleihmitteln zu beschaffen und in 20 Jahren zu tilgen."

    Am Dreikönigstag 1927 referierten Bürgermeister Moll in der großen Turnhalle in Meersburg über "Unsere Zukunft am Bodensee" und Fritz Arnold über "Die Kraftwagenfähre" vor Meersburger Bürgern. Beide setzten sich hierbei voller Engagement für das Konstanzer Fährprojekt ein.

    Bereits im Dezember 1926 hatten in Staad die vorbereitenden Arbeiten zum Bau der Hafenanlagen begonnen. Am 27. Januar 1927 wurde bei der Bodan-Werft in Kressbronn das Fährschiff Nr. 1 in Auftrag gegeben.


    Bau des Brückenfundamentes auf Meersburger Seite

    Doch das für die damalige Zeit außergewöhnliche Projekt blieb auch nach Baubeginn ein heftig umstrittenes Politikum. Die Fähregegner bezeichneten die Befürworter der Fährverbindung als "die Totengräber der Stadt Konstanz" und argumentierten, die am Rande der Zahlungsunfähigkeit stehende Stadt hätte weiß Gott andere Sorgen, als für die 200 in der Stadt registrierten Automobilisten eigens eine Automobilfähre zu bauen. An die Bevölkerung wurden Verlustanteilscheine ausgeteilt, die mit "Im Namen des Vergewaltigungsrat" unterzeichnet waren. Kritiker bezweifelten lauthals die Tauglichkeit und Betriebssicherheit des auf der Bodan-Werft in Kressbronn im Bau befindlichen Schiffes.

    Nach knapp 17 Monaten Planungs- und Bauzeit lief das neue Fährschiff KONSTANZ am 21. Juni 1928 in den Konstanzer Hafen ein. Die 32 m lange, 9,40 m breite Fähre mit offenem Fährdeck war für eine Nutzlast von 68 Tonnen konzipiert und konnte gleichzeitig 15 Kraftwagen und 200 Personen transportieren. Zwei mächtige 90 PS Dieselmaschinen der Motoren-Werke-Mannheim, sowie ein kleiner Hilfsdiesel als Lichtmaschine und zum Starten, sorgten für den Vortrieb. Nach Werbeunterlagen soll das Schiff 17,5 km/h schnell gewesen sein. Unabhängig durchgeführte Berechnungen von verschiedenen Schiffbauingenieuren ergaben jedoch nur eine angenommene Marschgeschwindigkeit von maximal 13 km/h.


    Das neue Fährschiff während der ersten Versuchsfahrten

    Kopfzerbrechen bereiteten die Landeeinrichtungen. Der Konstanzer Stadtbaumeister Lutz schrieb damals. „Entwurf und Bau der beweglichen Landebrücken bildeten mangels geeigneter Vorbilder eine neue, nicht ganz einfach zu lösende eigenartige Aufgabe. Weder der unter mehreren Brückenbauanstalten ausgeschriebene Wettbewerb förderte brauchbare Vorschläge zutage, noch führten die zur Besichtigung auswärtiger Fähranlagen unternommenen Studienreisen zu dem gewünschten Erfolg. Es musste deshalb versucht werden, die Aufgabe nach eigenen Ideen zu lösen." Die Brücken mussten dem im Jahresverlauf um mehr als 3 m schwankenden Wasserstand des Bodensees angepasst werden können und bei jedem Pegelstand ein gefahrloses Be- und Entladen der Fähre - auch mit schwersten Fahrzeugen - ermöglichen.

    Gemeinsam mit der Freiburger Stahlbaufirma Beierle fand Stadtbaurat Lutz schließlich die heute noch in Konstanz Staad zu besichtigende Lösung, die sich stark an die Landebrücken der Eisenbahntrajekte in Friedrichshafen und Romanshorn anlehnt: Die Landebrücke besteht aus zwei Teilen: der eigentlichen 22 m langen Zufahrtbrücke vom Land zum Fährschiff in Eisenfachwerkkonstruktion mit landseitigem Wiederlager und der seeseitigen Hebevorrichtung auf einem 2,5 m tief gegründeten Betonfundament. Den Übergang von der Brücke zum Deck der Fähre bildet eine 3 m lange und durch Ausgleichsgewichte von Hand leicht zu bedienende Brückenklappe.

    Während die Hebevorrichtung seeseitig die Aufgabe hatte, die gesamte Landebrücke mittels Hubspindeln den erheblichen Schwankungen des Sees anzupassen, und das Brückenende auf die Höhe des Schiffsdecks einzustellen, diente die 3 m lange Brückenklappe dazu, kleinere Wasserstandsschwankungen und den Höhenunterschied zwischen leerer und beladener Fähre auszugleichen.


    Zeichnung des beweglichen Fähranlegers

    Die Kosten für die komplette Trajekteinrichtung, einschließlich der beiden Schutzhäfen beliefen sich auf rund 710.000 Reichsmark. Hiervon entfielen auf das Schiff lediglich 142.000 RM. Der Bau des Konstanzer Fährhafens schlug mit 223.000 RM, der Bau der Meersburger Landeeinrichtungen mit 335.000 RM zu Buche.

    Um den unvermindert weiter agierenden politischen Gegnern des Projektes den Wind aus den Segeln zu nehmen und vermutlich auch, um eigene Zweifel zu zerstreuen, wurden nach dem Eintreffen des Schiffes in Konstanz bis zu seiner eigentlichen Inbetriebnahme durch die Stadtwerke drei Monate lang umfangreiche Fahrversuche und Probebelastungen durchgeführt. Selbst diese Experimente fanden in der Öffentlichkeit eine derart kontroverse Erörterung, dass die Schiffsbesatzung ultimativ forderte künftig "ohne jede Einmischung Außenstehender Fahrproben machen zu können" und "sollte dieses nicht geschehen", fügte die Mannschaft drohend hinzu, "wird sich bald niemand mehr finden, der die Fähre bedienen will!"

    Obwohl die Arbeiten an den Hafenanlagen in Konstanz-Staad und Meersburg noch immer nicht abgeschlossen waren, beschloss die attackierte Stadtverwaltung im September eine vorgezogene Inbetriebnahme des Schiffes. Man befürchtete, dass bei einem Start in der verkehrsarmen Winterszeit der Misserfolg der Automobilfähre vorprogrammiert wäre.

    Die Eröffnung des Fährbetriebes fand am 30. September 1928 ohne große Feierlichkeiten statt. Und obwohl Personen wie Automobile zunächst nur über provisorisch ausgelegte Planken auf das Schiff gelangen konnten, ließ der sofort einsetzende Zuspruch selbst die ärgsten Kritiker verstummen. Bereits am ersten Betriebstag, meldete die lokale Presse, "führte der Reitz des neuen Verkehrsmittels Passagiere in solcher Zahl zu, dass sie den ganzen Tag außerordentlich besetzt war. 2.500 Passagiere trug sie auf ihrem breiten Rücken über den See, 160 Autos ersparte sie die zeitraubende Fahrt um den Überlinger See".

    Fähre am Anleger
    Das Fährschiff KONSTANZ fährt den Meersburger Fähranleger an

    Im ersten Betriebsjahr wurden an Stelle der zunächst vorsichtig geschätzten 12.000, über 48.000 Last- und Personenwagen über den See gesetzt, und an Stelle der geschätzten 50.000 Personen, hatten tatsächlich 358.000 Menschen mit der Fähre übergesetzt.

    Der Konstanzer Historiker Werner Trapp schreibt: "Für die noch kleine Minderheit der reisenden Kraftwagenbesitzer erschloss die Fähre neue Dimensionen automobiler Beweglichkeit, steigerte das Gefühl von Freiheit und Mobilität. Hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg die Entdeckung des Hochgebirges auf alpinen Pässen und Pisten die Phantasie der motorisierten Touristen beflügelt, so erschien nunmehr die Überquerung des Bodensees per Automobil, gepaart mit dem 'Reiz des neuen Verkehrsmittels', als technisches Faszinosum der Saison, als eindrückliche Erfahrung und Demonstration der Grenzenlosigkeit technischen Fortschritts.

    Menschen bei den Eröffnungsfahrten an Deck
    Menschen während der ersten Fährfahrten an Bord des Fährschiffes

    Ob es nun der Bayrische Automobilklub Lindau war, der eine 'Suserfahrt nach Meersburg' mit der "erstmaligen Benützung der Fähre verband, oder eine Gruppe von siebzig Wagen aus Zürich, die zum ersten mal mit der Fähre über den See fahren wollte" - immer häufiger riefen bald deutsche wie schweizerische Automobilclubs ihre Ziel- und Sternfahrten an den See, warben die Clubzeitschriften für ein "Auto-Weekend am Bodensee. Das Erlebnis, mit dem eigenen Gefährt auch ein mehr als vier Kilometer breites Gewässer gefahrlos zu überwinden, wurde dabei zur Krönung, ja fast schon zum Ziel der Reise selbst."

    Für die Verkehrssituation in der Region, besonders für Konstanz und die Schweizer Nachbarstadt Kreuzlingen hatte die Automobilfähre nicht vorhergesehene Folgen. Der Grenzübergang Konstanz/Kreuzlingen war durch den Einsatz der ersten Binnenseefähre plötzlich zum Nadelör des europäischen Nord-Süd-Verkehrs geworden.

    Vier Jahre nach Eröffnung der Fährlinie schrieb die 'Deutsche Bodensee Zeitung': "Seit der Errichtung der Autofähre von Konstanz nach Meersburg ist Kreuzlingen zu einem der wichtigsten Eingangsorte für den Straßenverkehr in die Schweiz geworden. Nur in Basel und in Chiasso fahren noch mehr Autos über die Grenze als in Konstanz bzw. Kreuzlingen." Die Geister, die Fritz Arnold rief, waren nun kaum noch zu bezwingen. Die Stadt selbst war durch die Automobilfähre nicht nur aus ihrer wirtschaftlichen wie verkehrstechnischen Isolation befreit worden, sie war über Nacht ein wichtiger Knotenpunkt des europäischen Fernverkehrs geworden.


    Die KONSTANZ II. lief 1930 auf der Bodan-Werft in Kressbronn vom Stapel

    Um dem unerwarteten Erfolg der ersten Automobilfähre Herr zu werden, musste 1930 bereits ein zweites Fährschiff von Konstanz aus eingesetzt werden. Das erste Fährschiff wurde jetzt in MEERSBURG umbenannt, während das modernere Fährschiff Nr. 2 den Namen KONSTANZ erhielt. 1939 kam das dritte Fährschiff zum Einsatz.

    Der beispiellose Erfolg der ersten europäischen Binnensee-Automobilfähre KONSTANZ war besonders von den seereichen Regionen der Alpenländern aus mit großer Aufmerksamkeit beobachtet worden. 1929 gründete der agile 67-jährige schweizer Bürger Alois Waser in Gersau am Vierwaldstätter See eine Gesellschaft für die Errichtung und den Betrieb einer Autofähre zwischen Beckenried und Gersau nach Konstanzer Muster. Da Geldgeber für das Projekt ausblieben beschloss der trotzköpfige alte Herr das Projekt gemeinsam mit seinem Sohn selbst zu finanzieren. Ohne die Genehmigung des Kantons abzuwarten, gab Waser 1929 in Ürikon den Bau eines Fährschiffs mit offenem Fahrdeck in Auftrag. Im Januar 1930 wurde das Schiff in vier Teilen über die Landstraße nach Luzern transportiert und dort zusammengesetzt. Nach zähen Kampf mit den Behörden konnte der beharrliche alte Herr am 8. Juni 1930 seine Doppelendfähre TELLSPRUNG, als erste Automobilfähre der Schweiz, zwischen Gersau und Beckenried in Dienst stellen.

    Das Fährschiff TELLSPRUNG zwischen Gersau und Beckenried auf dem Vierwaldstätter See
    Die TELLSPRUNG, Bauj. 1930,  zwischen Gersau und Beckenried am Vierwaldstättersee

    Am 27. August 1932 gründeten 54 Aktionäre im schweizer Meilen die Zürichsee-Fähre Horgen-Meilen AG. Die Gesellschaft konnte am 20. Mai 1933 den Stapellauf ihres ersten Fährschiffes SCHWAN feiern. Das Schiff nahm am 4. November im Halbstundentakt seinen Dienst zwischen Horgen und Meilen auf.


    Als zweite schweizer Automobilfähre wurde 1933 der SCHWAN auf dem Zürichsee in Dienst gestellt

    Auch am Bodensee blieb die Gründung der Konstanzer Fährlinie nicht ohne weitere Folgen. Am 1. Juni 1929 wurde zwischen Friedrichshafen und Romanshorn durch die Deutsche Reichsbahn, die sich bis dahin gegen jeden Einsatz einer Automobilfähre gesträubt hatte, die SCHUSSEN in Dienst gestellt. Wie das Friedrichshafener 'Seeblatt' berichtete, war die Fähre "für die Beförderung von Güterwagen, Automobilen und Personen" konzipiert.

    Auf der Fährlinie zwischen Konstanz-Staad und Meersburg sind heute sieben Fährschiffe Tag und Nacht im Einsatz. Mit einem Transportvolumen von über 1.700.000 PKW und 200.000 LKWs und Nutzfahrzeugen (Stand 1998) und mehr als 5,5 Mio. Passagieren sind die Fährbetriebe der Stadtwerke Konstanz, die 1928 mit dem Einsatz der ersten europäischen Binnensee-Automobilfähre eine neue Epoche des Automobilverkehrs eingeläutet haben, Deutschlands größte Fährreederei auf einer Linie.